Der authentische Standpunkt oder die Wirkkraft im Walde
Über die Kunst, erfolgreich Malerei zu studieren“)
Anett Münnich hat sich hierfür auch immer wieder ihrem inneren Kern vergewissert. Sie sagt hierzu in ihrem Vortrag: „Und immer wieder gehe ich dazu auch an meine Wurzeln zurück, versuche, mich daran zu erinnern, wie ich als Kind den Wald empfunden habe, wie es war, wenn ich mich versteckt habe, weil mich niemand finden sollte, hinter den vielen Zweigen und Blättern.“
Dem Wald gilt das ungebrochene Interesse von Anett Münnich. In ihren Bildern zeigt er sich in der Vielschichtigkeit seines ganzen Mythos, vom Urwald und dem Wachsen der Vegetation bis hin zum Schutzraum für seine Kreaturen, obwohl diese in den Bildern von Anett Münnich gar nicht vorkommen. Viriditas nennt Hildegard von Bingen, eine visionäre Nonne, die im Mittelalter gelebt hat, die vegetative „Grünkraft“ in der Natur, die auch in den Bildern von Anett Münnich wirkt. Ihre Bilder strotzen vor Farben, die in unzähligen Schichten übereinander gelegt, verdichtet und zu einer barocken Fülle miteinander verwoben sind. In ihnen drückt sich die gewaltige Schaffenskraft ihrer Schöpferin aus. Erst bei ganz nahem Betrachten erschliessen sich die unzähligen Wege, wie die Farben auf das Bild gekommen sind: Verschiedene Druckverfahren lassen sich genauso ausmachen, wie pure Malerei, Schüttungen und Sprenkelungen. Dabei wirken die Bilder trotz aller Fülle leicht und beschwingt, voller Dynamik. Anett Münnich kombiniert mit einem feinen Gespür ungewöhnliche Farben und erreicht für Ihre Bilder einen außergewöhnlichen Farbklang, mit dem sie auch erkennbar ist. Druck- und Farbumdruckverfahren finden sich sowohl in ihren Bildern wie auch als eigenständige Werkgruppe, hier auch gerne kombiniert mit Scherenschnitten, die durch sehr filigrane Schnitte bestechen. Die Vervielfältigung der einzelnen Schichten und deren Kombinierbarkeit untereinander befeuert die innovative Imagination und Schaffenswut von Anett Münnich. Ein oppulentes und beeindruckendes Werk ist so bereits entstanden und ich ernenne Anett Münnich deshalb sehr gerne zu meiner Meisterschülerin.
Bereits während ihres Studiums hat Anett Münnich neben der Ausbildung ihres künstlerischen Standpunktes aktiv und unermüdlich ihre Chancen auf dem Kunstmarkt gesucht und gefunden. So weist ihre künstlerische Vita schon jetzt beachtliche Stationen, den sie weitere hinzufügen kann. So wird ihr Bild „Birkengrund“ in der Nominiertenausstellung zum Brandenburger Kunstpreis 2019 auf Schloss Neuhardenberg zu sehen sein. Und im nächsten Jahr kann sie für 2 Monate als Stipendiatin im Künstlerhaus Hooksiel an der Nordsee arbeiten.
Wir werden sicher noch viel von ihr sehen, hören und lesen. Ich jedenfalls bin sehr stolz und bin gespannt, was alles kommen wird! Anett Münnich bedankte sich gestern Abend mit folgenden Worten bei mir: „…für all dein Wissen, was du mir weitergegeben hast, die Ermunterungen, die Kritiken, die ich übrigens nie persönlich genommen habe, und das beharrliche Dringen, malerischer zu werden. Will sagen: du hast da einen guten Job
gemacht.“
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)
Ungefähr 70 Gäste kamen am 29.3.2019, zur Öffentlichen Präsentation zum Studienabschluss von Anett Münnich. Wieder ein besonderer Abend zwischen zwei künstlerischen Lebensabschnitten. Nach vielen Jahren gemeinsamen Weges mit seinen ganzen Aufs und Abs ist er nun zu Ende. Eine weitere Absolventin verlässt sich ihrer selbst und ihrer künstlerischen Sache bewusst die Akademie. Darauf bin ich ein weiteres Mal sehr stolz. Das war und ist das Ziel des Studiums. Anett Münnich sagte hierzu in ihrem Vortrag:
„Jeder Künstler, jede Künstlerin, die zu einem sogenannten künstlerischen Standpunkt, einer erkennbaren Handschrift kommen möchte, muss den ganz eigenen, persönlichen Weg finden und auch gehen. Das ist nicht immer ganz leicht – vorsichtig ausgedrückt. Denn authentisch, also bei sich zu bleiben bedeutet auch strittig und durchsetzungsfähig zu sein. Hier in der künstlerischen Entwicklung die Balance zu finden, dem Eigenen treu zu bleiben, also sich auf sich selbst zu verlassen, zugleich aber auch offen zu bleiben für Neues, das ist zugegebener Maßen immer wieder sehr herausfordernd. Es erfordert viel Mut, Ehrlichkeit, Offenheit, Neugier, sehr viel Fleiß, mindestens genau so viel Hartnäckigkeit und Selbstvertrauen. Man muss Unverständnis und Kopfschütteln anderer aushalten können, auch harte Kritik und Auseinandersetzung. Aber es ist genau diese Reibung , es sind genau diese heftigen Kritiken, die mich stets gefordert haben und die mich letztlich auch immer wieder zur Weiterentwicklung antreiben. Wenn man es auf diese Weise betrachtet, dann sind Kritiken also nichts weiter als Triggerpunkte für die künstlerische Entwicklung. Und so gesehen kann man sie auch wirklich gut aushalten. Ich denke, es ist wichtig, ich möchte sogar sagen notwendig, dass ein Künstler authentisch bleibt. Mehr noch: Es ist eine ganz wesentliche Vorraussetzung für die Entwicklung einer eigenen Bildsprache.“
Wie gelangt man zur eigenen Authentizität? Was muss man tun, um authentisch zu werden? Das Ringen um Authentizität ist wichtig und treibt die Studierenden an. Jede Methode und jeder Impuls und Gedanke kann ein Ansatz sein oder zu einem werden, angeregt durch Kurse, Ausstellungen, Träume, Bücher, Filme, Lieder, Projekte, denen man sich angeschlossen hat, Gespräche, die man geführt hat, Reisen. Es kann eine Rolle spielen, ob man Geld hat, ein eigenes Atelier besitzt oder nicht, ob man zu Hause allein oder an der Akademie mit anderen oder in einem Gemeinschaftsatelier arbeitet, ob man alleine ist oder Familie oder einen Partner hat, ob die Eltern einen geliebt haben oder nicht, ob man einen schlimmen Unfall oder ein Unglück verarbeitet, ob man durch andere an seiner künstlerischen Arbeit gehindert wird – aus all diesen Umständen kann sich eine eigene Thematik ausbilden.
Die Wahrnehmung dafür muss geschult werden. Die eigene Thematik ist nicht sofort erkennbar am Anfang eines Studiums. Auch ich weiß nicht, wohin die Studierenden sich am Ende hin-entwickeln. Es ist ein gemeinsamer Weg. Die Studentin, der Student schult sich selbst, ich begleite sie und ihn bei der Selbstorganisation der künstlerischen Lernprozesse. Meine hauptsächliche Aufgabe besteht darin, die Arbeiten der Studierenden, angeregt durch ihr Studium, zu betrachten und zu reflektieren.
Ich brauche also Studierende, die sich von mir begleiten lassen, die aktiv studieren, ihre Arbeiten von selbst stark reflektieren, sich mit zeitgenössischer Kunst sowie der Kunstgeschichte auseinandersetzen, die viel produzieren, damit sich meine Lehre entfalten kann. Als Studentin oder Student muss man sehr genau wissen, was all die anderen malen, was schon gemalt worden ist, was zeitgenössisch und historisch ist, muss sich informieren und einordnen mit seinen Bildern. Man muss die Unterschiede herausarbeiten und seine Eigenheiten voranstellen.
Daher achte ich genau darauf, was und wie die jeweilige Person studiert: Geht sie in die Bibliothek, macht sie Recherchen? Womit beschäftigt sie sich und wie: vorwiegend mit Werken und Künstlerinnen und Künstlern, die sie ansprechen? Nutzt sie die Möglichkeiten, die Berlin und andere Großstädte bieten, auch wenn sie in keiner wohnt? Schließt sie sich Künstlervereinigungen/Kunstvereinen an, bildet sie, in fortgeschrittenem Stadium ihres Studiums, vielleicht eine eigene Künstlergruppe? Kommt sie mit all dem zu mir und spricht darüber? Ich setze viel Eigenständigkeit und Kommunikationsfähigkeit voraus und verlange sie auch.
Dabei ist mir bewusst, dass Authentizität ein schwieriger, vielschichtiger und von den Medien (fälschlich) stark belegter Begriff ist. Und in der Malerei ist Authentizität besonders schwer zu fassen, da man bei ihrer Beurteilung vom Kriterium „Was ist gute Kunst?“ wegkommt und eher beim Kriterium des Lebens selbst ansetzt. Ein autobiografischer Bezug ist natürlich sehr wichtig, um Authentizität zu erlangen. Herauszufinden, wo er liegt, heißt Malerei studieren. Auf diesem Weg muss man Vieles ausprobieren, und es sollte unbedingt etwas mit dem eigenen Werdegang und dem Erlebten, der eigenen Geschichte zu tun haben.
(siehe auch mein Lehrbuch „