Die National Portrait Gallery in London – oder – Woher kommt all das gespendete Geld?
Ein Anwärter für den BP Portrait Award der National Portrait Gallery in London sind in meinen Augen die 2m x 2m großen Selbstporträts von Veronica Marin Vogel.
Bild 1 / Beitragsbild: Veronica Marin Vogel A million years ago, 2019, Acryl auf Leinwand, 200 × 200 cm
Bild 2: Veronica Marin Vogel 2 by 2, 2019, Acryl auf Leinwand, 200 × 200 cm
2019 bewarben sich für diesen renommierten Portaitpreis über 2,500 Künstlerinnen und Künstler aus 84 Ländern. 48 Portraits wurden für die Preisanwärter-Ausstellung ausgewählt, die vom 13 Juni bis 20 Oktober 2019 zu sehen sind. Der erste Preis ist mit £35,000 dotiert, der zweite Preis mit £12,000 und der dritte Preis mit £10,000. Ab November 2019 – bis Mitte Januar 2020 läuft die Ausschreibung für das Jahr 2020. Man kann sich mit einem Porträtbild pro Person bewerben, das Bild muss nach 2019 fertig gestellt sein.
In den letzten Wochen war in der Zeitschrift Monopol und in einer kleinen Randnotiz in der Zeitung DIE ZEIT zu lesen, dass die National Portrait Gallery in London auf eine Millionenspende der Familie Sackler verzichtet. Hinter der Familie Sackler steht ein Pharmakonzern, der Schmerzmittel aus Opioiden herstellt, eine synthetische Form von Morphium. Der Pharmakonzern der Familie Sackler steht damit für eine beispiellose Ausbreitung von Abhängigkeit von Opioiden in der Bevölkerung der USA und in dieser Folge im Zusammenhang für Abertausende Tote in Folge Ihrer Sucht, vor allem durch eine Einnahme einer Überdosis der Opioide. Derzeit ein Riesenproblem in den USA, beispiellos in der Geschichte der USA. Es geht um Milliardengewinne des Pharmakonzerns und um eine aberwitzig reiche Familie, deren Spenden bis dato immer gerne von den Museen angenommen worden sind. Die Sackler-Familie fördern schon seit Jahrzehnten Kunst- und Kulturinstitutionen – darunter die Yale-Universität in den USA, das Guggenheim-Museum in New York und die Londoner Serpentine Gallery. Ganze Flügel oder Treppenhäuser haben Museen der ganzen Welt nach der Sackler-Familie benannt, darunter auch das Jüdische Museum Berlin, der Louvre in Paris, das Metropolitan Museum, das Guggenheim Museum, die Tate Gallery.
Bereits am 10. Januar 2018, also vor über einem Jahr, interviewte Tobias Timm für DIE ZEIT die Fotografin Nan Goldin (1953 geboren in Washington D.C.), die selbst stark von dem Schmerzmittel des Pharmakonzerns abhängig wurde und ihre Abhängigkeit fotografisch dokumentierte. Sie gründete die Initiative P.A.I.N. (Prescription Addiction Intervention Now) die fordert, dass Museen und kulturelle Institutionen in Zukunft kein Geld mehr von der Familie Sackler annehmen sollen. Tobias Timm fragt in dem Interview Nan Goldin ob das Geld von Philanthropen nicht in den meisten Fällen schmutzig und ob es nicht besser sei, wenn Milliardäre ihr Geld in Museen stecken, statt es für große Yachten oder Villen auszugeben?
Anfang Februar 2019 demonstrierte Nan Goldin im Guggenheim Museum gegen Sackler. Und nun folgt die National Portrait Gallery: Dieses Geld, dem soviel Elend anhaftet, nehmen sie nicht an. Aber auch erst als Nan Goldin damit droht ihre geplante Retrospektiv-Schau abzusagen. Scheinheilig also das Ganze? Ich finde es trotzdem gut, dass man sich – immer wieder – Gedanken darüber macht, woher eigentlich das Geld kommt, das reiche Familien so spenden. Sauberes Geld? Schmutziges Geld? Einen sauberen Kulturbetrieb wird es wohl nie geben. Eher einen Reingewaschenen…
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)