Was ist gute Malerei?
Gute Malerei zeigt sich vor allem in der Entschiedenheit eines künstlerischen Plans bzw. einer Bildidee. Wie Kurator Christoph Heinrich in Was ist gute Kunst? Auf Seite 16 beschreibt, machen eine Vielfalt von Strukturen, die Details im Farbenleben einer jeden Partie, die Reichhaltigkeit von Tönen und Farbnuancen ein Werk malerisch interessant. Ein malerisch durchgearbeitetes Werk regt das Auge an, durch das Bild zu wandern, um die Vielfältigkeit und Strukturen zu erkunden. Und gute Malerei besitzt immer eine gewisse Virtuosität. Dennoch muss gute Malerei nach heutigen Maßstäben nicht unbedingt auch wirklich nach außen hin ein „gutes Bild“ repräsentieren, das heißt virtuos ausgeführt sein. Barnett Newmans (1905 – 1970) Werke sehen zum Beispiel aus wie angestrichene Farbflächen. Und gute Malerei bedeutet niemals „angestrichen“, „ausgemalt“ oder „angemalt“. Trotzdem sind seine Bilder gut. Warum? In Newmans Gemälden spiegelt sich Entschiedenheit wider. Entschiedenheit zu zeigen, ist ein äußerst wichtiges Kriterium. Was also ist gute Kunst? „Jeder Pinselstrich eines Bildes muss sich fragen lassen: Was machst Du da? Wozu braucht es Dich? Bist Du überflüssig?“, schreibt Heinrich auf Seite 19; Fragen, die sich Studierenden der Malerei immer wieder stellen werden und stellen sollten.
Gute Malerei und gute Bilder zeichnen sich auch durch eine absolute Reduzierung der Mittel und dennoch oder gerade darin durch einen nicht enden wollenden Erfindungsreichtum aus. Oft ist es so, dass sich einem erst ein ganzes Universum öffnet, wenn man sich in seinen Mitteln beschränkt. Und nur durch die Reduzierung kommt es zu vielen Ideen, die eben genau durch die spezifisch beschränkte Auswahl an Mitteln entstehen. Jenny Holzer (geb. 1950) kurze, aber riesige Display-Texte an den Häuserwänden irritieren, bewirken Risse und Brüche im Bewusstsein der Passanten, stellen alltägliche Scheingewissheiten infrage. Ihre Slogans sind zuweilen äußerst kurz, fast minimalistisch, aber sehr subtil und wirkungsvoll. Josef Albers (1888 – 1976) war bei der Anordnung und in der farblichen Beziehung seiner Quadrate zueinander äußerst erfinderisch. Das serielle Verfahren von Konzeptkünstler Sol LeWitt (1928 – 2007) folgt dem Prinzip immanenter Wiederholungen, der Angleichung und Differenzbildung in der Wiederholung, auf einige Parameter reduziert.
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)
Auszug aus „Über die Kunst, erfolgreich Malerei zu studieren – Ein Lehrbuch“, Ute Wöllmann, Reimer Verlag Berlin 2012, ISBN 978-3-496-01455-3
Titelbild: Bilder von Hanne Karch auf der Art Karlsruhe 2019