Monet ganz nah
Auf der Vernissage meiner Ausstellung in Den Haag fielen mir zwei Personen auf, die meine Bilder von ganz nah betrachteten, fast bin ich versucht zu sagen: Sie drückten sich die Nasen platt. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass es sich um Ruth Hoppe, Restauratorin und um Daniel Koep, Kunsthistoriker und Ausstellungsleiter des Gemeentemuseum Den Haag handelte. Das erklärte ihre „ungewöhnlichen“ Bildbetrachtungen. Meine Maltechnik wurde inspiziert und unter die Lupe genommen, am Ende war ich froh, dass ihren Adleraugen keine maltechnischen Sünden aufgefallen sind und die Ölbilder nicht vor ihrer maltechnisch bestimmten Zeit das Zeitliche segnen werden.
Ruth Hoppe, Restauratorin im Gemeentemuseum Den Haag, restauriert derzeit einen Monet und lud mich für den nächsten Tag in ihre Werkstatt ein. Bei dieser Einladung hüpfte mir das Herz vor Freude und selbstverständlich nahm ich ihre Einladung dankend an. Das Gemeentemuseum Den Haag verfügt über die weltweit größte Sammlung von Mondrians, was ich nicht wusste, über Bilder von Marlene Dumas und anderen interessanten Künstlerinnen und Künstlern des Landes. Im Herbst wird eine große Monet-Ausstellung gezeigt und bis dahin muss der Monet von Ruth Hoppe fertig restauriert sein, denn er soll auch in die Ausstellung. https://www.gemeentemuseum.nl/en/exhibitions/monet
So nah war ich noch nie einem Monet! Wie aufregend! Die Farben: So authentisch. Der Pinselstrich vielfach aufgerissen, weil er die Farbe nicht verdünnte und sie an den erhabenen Stellen des Untergrunds hängen blieb. Ruth Hoppe erzählte, wie das Bild unter dem Firniß wie hinter einem Schleier verborgen war und dass man jetzt endlich wieder die richtigen Farben sehen kann. 3 Monate hindurch hat sie Tag für Tag 5cm große weiche mit einem Lösungsmittel getränkte Tissues aufgelegt und den Firniß zentimeterweise abgenommen und das Bild wieder erstrahlen lassen. Von Monet gibt es ganz klare Anweisungen, dass er es nicht wollte, dass seine Bilder gefirnisst würden. Ruth Hoppe stellte sich also in den Willen Monets, so empfand sie diese Arbeit. Sie erläuterte mir, welche Schwierigkeiten diese Vorgehensweise mit den Tissues bei den pastosen Stellen bereitet. Sie zeigte mir die unterschiedlichen Arten der Schäden an diesem Gemälde: altersbedingte Risse der Ölfarben, die man nicht restaurieren kann, die aber auch nicht so schlimm sind; kleine Löcher, die wahrscheinlich durch Glassplitter, die in Monet’s Atelier herumgeflogen sein müssen, als die Fenster aufgrund von Bombeneinschlägen zerborsten sind – die sie restaurieren konnte; viel Retuschearbeiten an großen Abplatzungen im Bild, die schon von andere Restauratoren bearbeitetet worden sind. Ich erfuhr, dass Retuschearbeiten nicht mit Ölfarben gemacht werden, sondern mit wasserlöslichen Farben, damit es reversibel ist.
Interessant waren vor allem die Röntgenaufnahmen, anhand derer man sieht, dass Monet zuerst mit Seerosen anfing, diese aber bei diesem Bild mit Glyzinien übermalt hat, was ein Problem ist, weil die neu aufgetragene Ölfarbe auf der alten, durchgetrockneten Ölfarbe nicht haftet und hier abplatzt. Da bekam ich einen Schreck, denn dies mache ich auch oft. Und ich dachte, dass man das machen darf! Darf man auch, wurde mir bestätigt, es dürfe aber kein Fettfilm auf der alten Ölschicht liegen. Bei Monet hätte sich wahrscheinlich eine hauchdünne Rußschicht abgelegt, durch das Heizen mit Kohleöfen im Atelier, die verhindert hat, dass sich die Schichten miteinander haben verbinden können. Außerdem hat er in der unteren rechten Ecke in die bereits trockene Ölfarbe längliche Blätter hineingekratzt, sozusagen ein pentimento, um die vorherige Komposition abzuwandeln. Ein anderes Bild zeigt, dass er zunächst mit ganz grafischen Pinselstrichen alle Flächen durchstrukturiert. Ein ganz offener Anfang. Erst dann kommen die zusammenhängenden Farbflächen darüber, zum Teil sieht man die alten Pinselstriche durchschimmern oder sie sind stehen geblieben – und am Ende im letzten Arbeitsgang dann wieder abschließende, akzentuierende Pinselstriche. Am Ende stehe ich also vor einem abstrakten Bild, wie ich finde: Das ist keine Landschaft mehr, sondern es ist die malerische Umsetzung von Sehen. Ich fühle mich ihm sehr verbunden und so nahe an dem Bild bekomme ich eine Gänsehaut.
Ein Bild mit einer Restauratorin zu betrachten bedeutet viel von der Art des Künstlers mitzubekommen, wie er so vorging, von der Geschichte eines Bildes, und auch von den Restauratoren, die schon einmal an diesem Bild gearbeitet haben. Und mit Ruth Hoppe den Monet zu betrachten bedeutete für mich, viel von ihrer Begeisterung für ihre Arbeit mitzubekommen. Und ich habe auch viel von mir mitbekommen. Ich verstehe was Monet da gesehen und gemalt hat!
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)
Titelbild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nympheas_71293_3.jpg
Gemeentemuseum den Haag, Stadhouderslaan 41, 2501 CB Den Haag
Werke von Claude Monet dort ab Mitte Oktober 2019