Anarchie der Preisgestaltung
Gestern Mittag kostete der Liter Superbenzin E10 an meiner Tankstelle 1,36 €. Ich nutzte die Gunst der Stunde und tankte. Abends kostete der Liter schon wieder 1,39 €. Heute Mittag um 12.15 Uhr 1,40 €, nur eine knappe halbe Stunde später nach meinem Einkauf im benachbarten Supermarkt 1,44 €. Was ist in dieser halben Stunde passiert? Der Preis schwankt außerdem je nach Anbieter. Und der Liter kostete immer schon auf den Autobahntankstellen deutlich mehr, als an den anderen Tankstellen. Hier wie dort ändern sich die Benzinpreise seit einigen Jahren aber fast stündlich. Kein Preis ist mehr für längere Zeit festgeschrieben, die Preise sind im Fluss und reagieren auf, ja, auf was eigentlich? Noch vor 10 Jahren gab es das so nicht. Die Preisschwankungen bei den Benzinpreisen verstehe ich nicht. Was hat sich geändert? Wieso haben wir das nicht auch bei Marmelade? Die Supermärkte hätten ganz schön zu tun, wenn sie stündlich ihre Waren umpreisen müssten…
Die Preisgestaltung in unserem Wirtschaftssystem ist kompliziert. Die Nachfrage reguliert den Preis. Angeblich. Preisabsprachen und Preismanipulationen sind zum Teil kriminell, gelten aber mindestens als unlauterer Wettbewerb. Dabei gibt es aber auch noch hier und da Subventionen, wenn es politisch gewollt ist, was vielfache Probleme nach sich zieht. Ich, als Akademieleiterin weiß davon ein Lied zu singen. Schließlich stehe ich mit meinem Kursprogramm in direkter Konkurrenz zu staatlich subventionierten Volkshochschulen oder zu Freien Kunstschulen und Sommerakademien, denen von den Städten und den Ländern Fördergelder zufließen oder denen Räume (große Räume!) unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Meine Akademie muss alles selbst erwirtschaften, auch und gerade die deutlich gestiegenen Mietpreise in dieser Stadt. Natürlich kommen da andere Kurspreise heraus, als bei den Volkshochschulen.
Ich träume davon, dass die Stadt Berlin mal für mich Akademiemiete übernehmen würde, wenigstens für ein Jahr oder wenigstens einen Teil davon! Das wäre schön! Zumal ich auch noch für jedes Honorar, das ich an Künstler oder Künstlerinnen bezahle, denen ich (ebenfalls Künstlerin) einen Kursjob verschaffe, ca. 5% in die Künstlersozialkasse abführen muss. Müssen das die Volkshochschulen und all die anderen Mitbewerber eigentlich auch?
Als ich als Touristin in Marokko, Ägypten, Tunesien unterwegs war, habe ich dort erfahren, dass der Preis für alle Dinge die es zu kaufen gibt Verhandlungssache ist und abhängig ist vom Verhandlungsgeschick der jeweiligen Verhandelnden. Das Verkaufsgespräch als solches soll auch noch Spaß machen: Wenn man den Preis ordentlich nahe an den Einkaufspreis des Verkäufers gedrückt hat, dann freut sich dieser über dieses spannende Verkaufsgespräch und darüber wie dem Käufer dieser Verhandlungserfolg gelungen ist und gönnt diesem den Erfolg. Jemand der nicht verhandelt wird nicht respektiert, außerdem ist er oder sie selber Schuld an den hohen Preisen die er oder sie zahlen muss. Es gibt kein Mitleid. Wie wäre es wohl, wenn wir alle den Preis unserer Tankfüllung an der Kasse jedes Mal neu aushandeln müssten? Die, die es eilig haben, würden dann wohl noch mehr als 1,44 € pro Liter bezahlen…
Auf dem Kunstmarkt bemisst sich der Wert eines Bildes nach der Biografie des Künstler oder der Künstlerin. Das Ranking wird gemessen an einem Faktor X: Höhe plus Breite eines Leinwandbildes in Zentimetern mal Faktor X ist gleich der Verkaufspreis in Euro. Kann sich jede und jeder ausrechnen wo er oder sie da so steht. Ich kenne viele sehr gute Künstlerinnen und Künstler deren Preise in Zeiten, als es gut lief und sie mit den dementsprechenden Galerien zusammengearbeitet haben, ebenfalls stetig nach oben kletterten. Heute jedoch, in Zeiten, wo es nicht mehr so gut läuft, dementsprechend ihre Bilder nicht mehr so gut verkaufen, weil sie einen zu hohen Faktor haben.
Sie dürfen aber auf keinen Fall runter gehen mit dem Preis. Ganzen Generationen an einst gehypten Künstlerinnen und Künstlern ist es so ergangen: Manche Lager einiger namhafter Galerien sind voll von diesen inzwischen zu teuren Bildern, die keiner mehr zu diesen Preisen kaufen will.
Der Kunstmarkt weiß auch von Stützkäufen oder Scheinkäufen von den Galerien eingesetzten Strohmännern auf Kunstauktionen, wenn der Preis eines namhaften Künstlers (ja, hier nur die männliche Form!) zu fallen droht… natürlich nur hinter vorgehaltener Hand. Damit der Faktor X bestehen bleibt. Sind doch eigentlich auch Preismanipulationen, oder? Wir Künstlerinnen und Künstler sollten auch stündlich unsere neuen Preise aus dem Fenster hängen, heute Faktor X morgen Faktor Y. Das geht ja gar nicht! Wo kämen wir denn da hin? Vielleicht an mehr verkaufte Bilder? Wer fängt an?
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)