Am Wochenende ist wieder UdK Rundgang…
…und aus diesem Anlass denke ich zurück an den ersten Rundgang, den wir Studentinnen und Studenten 1989 vor 30 Jahren anlässlich des damaligen Hochschulstreiks veranstaltet haben. 30. Jahrestag, wow, das ist doch was! Die Studentinnen und Studenten damals streikten aufgrund einer nicht existierenden Studienordnung. Am Fachbereich 6, damals studierten dort am Kleistpark die Lehramts-KunststudentInnen, ebenfalls ohne Studienordnung.
Es existierte nur eine Prüfungsordnung. Man musste seinerzeit zwei Hauptfächer gleichzeitig studieren, 1. Hauptfach Kunst an der UdK und 2, Hauptfach an der FU oder TU. Unstudierbar, weil in der Regelstudienzeit absolut nicht zu leisten. Eine ganze StudentInnengeneration brach ihr Lehramtsstudium ab, mich eingeschlossen, weil sie sonst doppelt so lange hätten studieren müssen, als vorgegeben und studierten ihr Kunststudium auf Freie Kunst zu Ende.
Es gingen in diesen Jahren kaum LehramtsabsolventInnen ab. Einziger Hochschulabschluss war seinerzeit lediglich der Meisterschülerabschluss. Ein absolutes Unding! Man war der Willkür der männlichen Professoren (ja, es gab damals KEINE Frauen als Malprofessorin an einer Kunsthochschule in der BRD, einzig: Maria Lassnig in Wien! Die damaligen Studentinnen brachten dann auch folgenden Spruch über dem Hörsaal an: „Wir geben erst Ruhe, wenn hier genauso viele mittelmäßige Frauen unterrichten, wie Männer“, worauf die amtierenden Professoren ‚not amused’ reagierten ) ausgeliefert.
Tatsächlich flogen dann auch immer wieder einige durch, obwohl genau diese Professorengeneration eine ordentliche Studienordnung nicht zu Wege gebracht hat. Ebenfalls ein Unding. Kurzerhand sperrten die streikenden StudentInnen die Professoren aus. Streikwachen wurden vor der Tür aufgestellt, kein Professor wurde mehr rein gelassen. Die Durchführung einer ordentlichen Meisterschülerprüfung war gefährdet, und somit der einzige Hochschulabschluss. Die ca. 40 Prüflinge am FB6 hatten Angst vor der Willkür der Professoren, wenn sie ihre Prüfung, aufgrund des Streikes, um ein Semester verschieben würden.
Deswegen wollten sie unbedingt, dass ihre Prüfung termingerecht stattfinden sollte, sozusagen unter den Augen der durch den Streik sensibilisierten und dadurch aufmerksamen Öffentlichkeit, was die Prüflinge schützen sollte. Da keine vorbereitenden und begleitenden Gespräche im Vorfeld der Meisterschülerprüfung mit den jeweiligen Professoren unter den gegebenen Bedingungen stattfinden konnten, besuchten sich die Prüflinge gegenseitig in den Ateliers und bereiteten ihre eigene Prüfung vor. Es waren unglaublich intensive Gespräche, die uns stark miteinander verbunden haben und wir fühlten uns inhaltlich bestens gerüstet.
Es musste eine Studenten-Vollversammlung einberufen werden, die einen Beschluss herbeiführen sollte, die den Professoren für diesen Tag den Zutritt in die Hochschule gewähren sollte. Nach einer hitzigen Vollversammlung, wo einige MitkommilitonInnen versuchten die Prüflinge als Streikbrecher darzustellen, stellte sich die Mehrheit der StudentInnen doch hinter die Prüflinge und stimmten dafür, dass die Meisterschülerprüfung stattfinden sollte. Wir machten uns gemeinsam ans Werk und beschlossen, alle Werke aller Prüflinge gut zu präsentieren.
Dafür wollten wir die Flure, wie auch die Ateliers nutzen. Zu diesem Zwecke räumten wir erstmals alle Ateliers auf und aus, was zum damaligen Zeitpunkt wirklich vorher noch nie geschehen war: Wir trugen aus einigen Räumen unglaubliche Mengen an angesammelten Kram und Müll heraus. Gemeinsam hingen wir alle Werke auf – und verhüllten sie. Die Werke sollten enthüllt werden, wenn derjenige Prüfling an der Reihe war. Wir wollten erreichen, dass sich die Professoren wirklich die Werke anschauen sollten – und nicht wie sonst üblich bei den Meisterschülerprüfungen der Jahre davor, einfach innerhalb einer halben Stunde durch rauschten und anschließend den einen oder anderen durchfallen ließen ohne eine adäquate Begründung dazu abzugeben.
Wir wollten ein Gespräch über die Inhalte der Werke und die Kriterien der Beurteilung. So hatten wir uns ja auch gemeinsam darauf vorbereitet und kamen zu der Beurteilung: Unsere Kunst ist gut. Sollte einer was anderes finden, dann wollten wir darüber reden.
Der Tag der Prüfung war wahnsinnig aufregend. Die Professoren waren zunächst brüskiert darüber, dass die Werke verhängt waren, ließen sich dann aber doch darauf ein. Es kamen unglaublich viele ZuschauerInnen, StudentInnen – es hatte sich herumgesprochen und viele, viele waren gekommen und begleiteten die Prüfung. Die Prüflinge, die Professoren und der ganze Pulk zogen von einem zum anderen, es wurden die Werke enthüllt, es wurde über die Werke gesprochen – es war eine Meisterschülerprüfung der ganz besonderen Art, sie machte Spaß und sie dauerte mehrere Stunden. Am Ende haben alle bestanden.
Der Erste UdK-Rundgang war geboren. Danach wurde es Tradition die Ateliers als Ausstellungsmöglichkeit zu nutzen und sich mehr Gedanken zur Präsentation zu machen.
Übrigens: Ein halbes Jahr später bei der nächsten Meisterschülerprüfung sind dann wieder drei durchgefallen. Warum? Das weiß bis heute keiner. Ist ja vielleicht auch verjährt…
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)