Den Shutdown durchleben und überleben
Ein unerwarteter Segen: Das Soforthilfe-Programm der Bundesregierung für Künstler, Freiberufler und Kleinunternehmer beschert mir einen überaus warmen Geldregen, der mich über die nächsten Monate dieser Zwangspause rettet. Ich bin unendlich dankbar und auf der Stelle erleichtert. Unsere Bundesregierung hat Wort gehalten: Unbürokratische Antragstellung und kurz danach war das Geld auf dem Konto. Das hat mich beeindruckt, zeigt aber auch deutlich, wie ernst die Lage ist, die wohl auch noch länger andauern wird. Das Allerschlimmste soll verhindert werden, es sollen die Krise so viele wie möglich überleben.
Indessen sind wir in der dritten Woche des Shutdowns. Ich erfahre aus den Medien, dass es einen „Berliner Weg“ gibt, mit den Ausgangsbeschränkungen umzugehen: Wir dürfen uns wieder in den Parks auf die Bänke setzen und auf den Wiesen liegen, dies wohl auch im Hinblick darauf, dass es noch länger dauern könnte. Länger als bis zum 19.4., bis dahin sind Galerie und Akademie vorläufig geschlossen. Ich trauere meinem schönen Kursprogramm hinterher, das ich für 2020 zusammenstellen konnte. Alles fällt aus und ich kann noch nicht damit beginnen, nach Ersatzterminen zu suchen. Dafür müsste es ja wieder ein normales Leben geben. Österreich hat seine Grenzen mindestens bis Ende Juni fix geschlossen und dort beginnen Schulen, Kita’s und Universitäten erst wieder im September. Sind das Vorboten, was auch bei uns kommen könnte? Schöne Aussichten!
Und so richten wir uns alle so gut es eben geht ein, in unserem neuen ungewohnt eingeschränkten Alltag. Der vor allem ein Atelieralltag ist.
Ich höre von der Akademie-Dozentin Cornelia Genschow, dass sie online unterrichtet. Über What’s App.
Sie schreibt: „In diesen Tagen pendele ich zwischen Land (Zuhause) und Stadt (Atelier+Galerierieräume), immer allein oder mit Vito (fast 4) und Caja (Junghündin). Abwechslung und Frischluft bekomme ich zur Genüge.
Freitags kommt Caja mit ins Atelier, so wie heute wenn ich zwischen 10 und 13 Uhr meinen Online-Unterricht gebe. Der Lehrauftrag für Zeichnung an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn geht so glücklicherweise weiter. Alle sind happy – Hochschule, Student*innen und natürlich ich.
Ansonsten bin ich immer noch dabei die Galerieräume vom Raum für Kunst und Natur neu zu organisieren, sprich zu renovieren. Da ich die Räume eigentlich ab April für kurze Ausstellungen vermieten wollte, und dies so bald wie möglich auch tun werde, will ich nächste Woche die bereits gelieferten Galerieschienen anbringen.
Zunächst werden dann meine Arbeiten dort zu sehen sein, wenn auch nur durch die Schaufenster.
Eine wahrlich fantastische Unterstützung ist die finanzielle Soforthilfe für Kleinunternehmer*innen der Bundesregierung bzw. des Landes NRW. Unkompliziert und schnell – so kann ich die Räume gut halten.
Künstlerisch arbeite ich gerade an einer Multiple-Auflage auf Papier, die ich anlässlich des Beethoven-Jahres entwickelt habe. Eine große Version gab es Anfang des Jahres in der Ausstellung „Mit Beethoven unter einem D-A-C-H“ im Künstlerforum Bonn zu sehen. Ich probiere gerade zwei Varianten, eine mit Pink-Neon und eine Gold-Version. Bin noch unschlüssig.
Insgesamt fühle ich mich immer wieder ambivalent der momentan Gesamtsituation gegenüber. Das ganze Umorganisieren von Familie, Arbeit, und Insgesamt kostet viel Kraft. Im Großen und Ganzen geht es mir aber gut. Ich bin gesund so wie alle in meinem Umfeld. Ich habe zu tun.“
Von meinen Studentinnen und Studenten höre ich aus Emails und Skype-Telefonaten heraus, dass ihnen neben den Kursen vor allem auch der Austausch über die Bilder in den Bildbesprechungen fehlt. Eine Möglichkeit online via Whatsapp unterrichten zu können, wie es Cornelia Genschow derzeit tut, ist super! Wenn es auch nicht für alle Kursinhalte geeignet ist, motiviert mich diese Option doch sehr. Natürlich mache auch ich schon lange Bildbesprechungen via Skype mit meinen Fernstudentinnen und Fernstudenten und jetzt in der Krise mit allen anderen auch – alle sind jetzt Fernstudent*innen. Aber es ist eben keine Bildbesprechung in der Klasse. Und so forsche ich im Weiteren nach Möglichkeiten online Bildbesprechungen abhalten zu können. Ich bin tatsächlich fündig geworden und werde wohl nächste Woche einen Versuch damit starten. Denke über virtuelle Galerie- und Ausstellungsbesuche nach und besuche auch virtuell viele Ausstellungen und Galerien. Besuche Plattformen, wo Musiker (umsonst!) Hauskonzerte geben. Ja, klar, jetzt ist das alles unheimlich kreativ und wärmt uns das Herz. Aber von umsonst kann niemand leben. Schöne neue Welt!
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin