Des Kaisers neue Kleider sind alle verkauft
Eine ganzseitige Anzeige in der Zeit kostet 93.500 €, Druckauflagenhöhe knapp 535800 Wow! So bewirbt die Plattform www.meetpablo.com in der Zeit Nr. 37 Leon Löwentraut. Von seinem legendären Erfolg wird da gesprochen, den er seiner farbgewaltigen Kunst verdankt. Nein, dem ist so nicht. Seinen Erfolg verdankt er seinem Vater, der ihn managt und seiner Mutter, einer Hobbymalerin, die die Buchhaltung macht, die ihn von klein auf fördern. Massiv fördern. Von denen kann man viel über Marketing lernen, wenn man will.
Von Leon Löwentraut kann man nichts lernen. Aber immerhin kann er von seiner Kunst leben, das ist ja auch schon mal was! Mich ärgert es, wenn ich im Spiegel und Co. die Frage lese, ob er der neue Picasso sei. Nein, das ist er auf gar keinen Fall! Und zwar aus folgendem Grund: Picasso hatte eine grundsolide akademische Ausbildung auf die sein ganzes späteres Werk fußte und aufbaute und ihm die Mittel in die Hand gab, sein künstlerisches Werk zu entfalten. Wer sich einmal die berühmte Stier-Reihe angesehen hat, wie er sich die Abstraktion eines Stieres von einem naturalistischen Stier ausgehend Schritt für Schritt erarbeitet hat, weiß wovon ich rede.
Oder die Hunderte von Skizzen rund um das Bild „Les Demoiselle d’Avignon“. Picasso wurde zunächst von seinem Vater ausgebildet, besuchte an der Malschule in Barcelona Malkurse und studierte anschliessend an der Kunstakademie in Barcelona. Dort durchlief er eine klassische Ausbildung im Aktstudium, Kopieren von Stichen und Gipsgüssen und alten Meistern. Als 16-Jähriger dann, nach dem bereits komplett absolvierten Studium an der Kunstakademie in Barcelona, wurde er in Madrid in der Kunstakademie aufgenommen. Verständlicherweise langweilte ihn die Wiederholung der akademischen Ausbildung und er blieb dem Unterricht fern. Anstelle dessen kopierte er im Prado und zeichnete Straßenszenen und malte draussen. Die restliche Biografie von Picasso ist hinlänglich bekannt. Picasso konnte was. Angesichts seines Frühwerks bleibt einem die Spucke weg!
Löwentraut hingegen kann nichts. Und das sieht man auch. Er wird wahrscheinlich nicht mal einen Akt oder eine Figur geschweige denn ein Porträt nach Modell malen und zeichnen können. Und wenn er oder sein Management schon den Vergleich zu Picasso anführen, dann muss sich der Arme eben auch an ihm messen lassen. Aber nicht nur im Vergleich mit Picasso geht er krachend baden. Es hält einfach nichts stand.
Die Bilder sind ein ganz lauwarmer Abklatsch, ein schlechtes „Nach-Gemale“ seiner ganzen Vorbilder, von denen er sich eben leider nicht eigenständig lösen kann. Ideenlos verpufft die eigentlich vorhandene Kraft des jungen Mannes. Die Frische und Innovationskraft der Jugend verkommt und erstarrt in einer Attitüde. Wie schade ist das denn! Aus dem hätte vielleicht sogar wirklich ein Großer werden können. Da möchte man ihm zurufen: „Mensch Leon, schließe dich doch auch mal, wie Dein Vorbild Picasso, wochenlang in dein Atelier ein, lass’ niemanden rein und kein Bild raus, bevor du nicht ein echtes Meisterwerk erschaffen hast, und mach mal Hunderte von Skizzen zu einem Bild, wie Picasso zu den Demoiselles d’Avignon, ringe mit deiner Bildvision, ringe um die Form und um die Komposition und um die Aussage!
Und bitte, bitte, bitte, stell nicht gleich jedes Bild aus, das du malst!! Das hat Picasso auch nicht getan. Lerne und studiere!“ Man solle doch Geduld mit dem jungen Maler haben, lese ich auf der Plattform meetpablo, wo sie versuchen das Beste aus allem zu machen und deshalb auch so viele Superlative brauchen. Und das Beste ist doch Geld. Er sei doch noch so jung, man solle ihn mal seine künstlerische Entwicklung machen lassen.
Nein, liebe Leute, wieso soll ich denn jetzt plötzlich Geduld haben, wo ihr doch den armen Kerl gleich mit allem, unausgebildet wie er war und immer noch ist, sehr ungeduldig in die Öffentlichkeit gezerrt habt? Ihr habt doch den Picasso ins Spiel gebracht, nicht ich! Der junge Picasso stand mit 21 ganz woanders, übrigens auch schon mit 7. Der wollte was. Und der konnte was. Der musste auch nie mit dem Helikopter zu seiner Ausstellung eingeflogen werden, begleitet von Leuten in LED-Ritterrüstungen, weil halt die eigene Kunst nicht ausreicht.
Lieber Leon, lass Dir eines sagen: Als Künstler wirst Du so nicht ernst genommen. Auf meetpablo vermarkten sie übrigens auch einen Sechsjährigen, ein angebliches Wunderkind. Bei seinem Video schnürt es mir mein Mutterherz zusammen. Widerwärtige Erwachsene sind da am Werk! Und Noah Becker malt jetzt auch, natürlich abstrakt und wild – was denn sonst? Was anderes als wild Farbe drauf klatschen wird auch er nicht können. Übrigens sind auf allen seinen Bildern die Farben gerissen und gebrochen. Von Maltechnik haben sie definitiv keine Ahnung. Da sind die Richtigen zusammen so scheint es. Und das „definieren“ dann Noah und Leon als Kunst.
Ich habe begonnen zu definieren, sagt Leon Löwentraut in seinem Video über seine Ausstellung auf Ibiza, dem Nabel der Kunstwelt! Und weil man ja nicht nur diese paar Wenigen, um die es ihnen eigentlich geht, auf die Plattform stellen kann, kauft man dann noch von diesem oder jenem namhafteren Künstler „aus dem Kunstmarkt-Dschungel“, die das „gewisse Etwas“ haben, eine Bild oder zwei, denn man hat ja auf jeden Fall Geld, und tut dann so, als würde man diese Künstler, deren werke man gekauft hat, auch „vertreten“. Und von Leon Löwentraut hat man dann aber 15 im Angebot. Die hat man vorher auch nicht gekauft. Und es brechen auf der Stelle die Galeriemasern aus, rote Punkte ohne Ende.
Ob das wirklich alles tatsächliche Verkäufe sind, sei einmal dahin gestellt oder ob nicht doch der Papa des öfteren mal einfach so die roten Punkte klebt. Schließlich wirbt man ja damit, dass immer alles gleich weg ist. Das geht dann auf gar keinen Fall, dass da keine roten Punkte kleben.
Mann Leute, und ihr alle ihr die für 5.500 € die Kunst des angeblichen Wunderknaben oder für 15.000 € einen Druck von dem schon etwas älteren angeblichen Wunderknaben kauft, ihr seid nichts anderes als die dummen Gaffer, die die angeblich so tollen Kleider des eigentlich aber nackten Kaiser beklatschen. Ooooh und Aaaah! Hallo, der hat nichts an! Und Tschüß!
(Ute Wöllmann – Akademieleiterin / Galeristin / Malerin / Autorin / Bloggerin)
Titelbild: Ganzseitige Anzeige aus der Tageszeitung “Die Zeit” Nr. 37 / 2019, der Firma www.meetpablo.com